Nationalfonds stellt Buchreihe mit Lebensgeschichten von NS-Opfern vor

Am 7. März 2013 präsentiert der Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus den zweiten Band der Buchreihe "Erinnerungen. Lebensgeschichten von Opfern des Nationalsozialismus" mit einer Lesung von autobiographischen Texten und einem von Dr.in Andrea Schurian moderierten ZeitzeugInnengespräch im Psychosozialen Zentrum ESRA.

Auf 336 Seiten vereint der kürzlich erschienene zweisprachige Band der Reihe 30 lebensgeschichtliche Zeugnisse von NS-Verfolgten unterschiedlicher Opfergruppen und enthält auch einen wissenschaftlichen Aufsatz von Dr. Gerhard Botz zum historischen Hintergrund. Der Band richtet sich vor allem an SchülerInnen und Studierende in Österreich.

Aus den autobiographischen Texten lesen: Erika Nemschitz, die als Kind eines jüdischen Vaters und einer nichtjüdischen Mutter mit ihrer Familie den Holocaust in Wien überlebte. Johannes Maierhofer, dessen Mutter als Zeugin Jehovas die "Kinderheilanstalt" am Spiegelgrund überlebte. Dr.in Lucia Heilman, die als Jüdin Wien nicht mehr verlassen konnte und gemeinsam mit ihrer Mutter als "U-Boot" von einem Freund versteckt wurde. Cristina Budroni, deren Mutter als Tochter eines politisch Verfolgten Ausgrenzung am eigenen Leib erfahren musste und Dr.in Katja Sturm-Schnabl, die im Zuge der zwangsweisen Aussiedelung der Kärntner SlowenInnen mit ihrer Familie in mehrere Lager deportiert wurde. Musikalisch umrahmt wird die Veranstaltung vom Akkordeon-Duo Gertrude Kisser und Professor Felix Lee.

"Für den Nationalfonds ist es von besonderer Bedeutung, dass autobiografisch Erinnertes von Überlebenden des Holocaust und der Verfolgung öffentlich zugänglich wird und nachlesbar bleibt", erklärt die Generalsekretärin des Nationalfonds, Mag.a Hannah Lessing. "Die Vielfalt und der unfreiwillige Facettenreichtum der hier versammelten Schicksale", so die Herausgeberin der Buchreihe und stellvertretende Generalsekretärin des Nationalfonds, Dr.in Renate Meissner, "erhellen, bringen interessante Erkenntnisse, berühren, machen wütend und betroffen zugleich." Die im vorliegenden Band dokumentierten Lebensgeschichten seien "Teil unserer Geschichte und Identität und bilden die Brücke zwischen damals und heute", so Meissner.

Band 2 der "Erinnerungen" behandelt schwerpunktmäßig das Jahr 1942, in dem die so genannte "Endlösung der Judenfrage" – die bereits in Gang gesetzte Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden – auf der "Wannsee-Konferenz" beschlossen wurde. Für den emeritierten Univ.-Prof. am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien, Dr. Gerhard Botz, liegt der größte Wert der Erinnerungen von ZeitzeugInnen darin, "dass sie einen Eindruck vermitteln können, was ‚einfache Menschen' damals empfunden und gedacht haben mögen und – noch viel mehr – was sie heute darüber, über ihr Leben seither und die historischen Abläufe denken."

Seit Beginn seiner Arbeit 1995 haben tausende Menschen den Nationalfonds persönlich aufgesucht. Im Zuge der Antragstellung wurden Lebensgeschichten wachgerufen und erinnert. Zum 70. Jahrestag des "Anschlusses" Österreichs an das Deutsche Reich im Gedenkjahr 2008, begann der Nationalfonds auf seiner Website autobiografische Texte von AntragstellerInnen zu veröffentlichen. Mittlerweile sind rund 100 Lebensgeschichten in deutscher und englischer Sprache online nachzulesen. Seit 2011 gibt der Nationalfonds zudem die Buchreihe "Erinnerungen" heraus, in deren Rahmen nun – im Vorfeld des 75. Jahrestages des "Anschlusses" und im Gedenken an die Verfolgten des NS-Regimes – ein weiterer Band erschienen ist. Die beiden Bände der Buchreihe wurden bereits an über 500 österreichische Schulen für den Unterricht verteilt und sind zum Selbstkostenpreis von 5 Euro beim Nationalfonds erhältlich.